Vorstellung des Bündnis Wohnraum im Rahmen des Gottesdienstes in der Christuskirche

Am heutigen ersten Advent haben wir im Rahmen des Gottesdienstes und im Anschluss im Rahmen des Festes in den Advent das Projekt „Bündnis Wohnraum für Familien in Sindelfingen“ vorgestellt. Wir waren für Fragen im Anschluss verfügbar. Es war ein toller Gottesdienst zum ersten Advent, den durch den Chor NewJoyce musikalisch begleitet wurde.

Das aktuelle Evangelium und die anstehende Adventszeit mit der Weihnachtsgeschichte war ein toller Ausgangspunkt, um das Thema einzubetten.

Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich

hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir. – Offenbarung 3, 14-22

 Wir freuen uns über die eingegangenen Unterstützungangebote, aber auch für die Anliegen die aufgetaucht sind, die wir gerne im Nachgang klären wollen.

Nachlese Interview

Beim vorbereiteten Interview war auf noch etwas Aufregung und auch Unsicherheiten vorhanden. Da es möglicherweise dadurch zu schnell ging und schwer verständlich war, hier nochmal das Interview zur Nachlese.

Lichtenberger:
Vom Anklopfen an Türen haben wir schon im Predigttext gehört. Deshalb ist es umso passender, dass heute Bernd Spindler zu uns gekommen ist, um das „Bündnis Wohnraum für Familien“ in Sindelfingen vorzustellen.
Manch einer hat sicher schon in den Kontakten davon gelesen. Aber bei guten Projekten schadet es nie, mehrmals davon zu hören.
Zumal das „Bündnis Wohnraum“ ein Projekt der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Sindelfingen und dem Haus der Familie ist – also unser Projekt!
Unterstützt wird es mit Mitteln aus dem Landeshaushalt vom Sozialministerium Baden-Württemberg.
Herr Spindler, wie kam es dazu und warum hat die Kirchgemeinde das Projekt initiiert.

Spindler:
Vielen Dank, dass ich das Projekt heute im Rahmen des Gottesdienstes vorstellen kann und ihnen auch im Anschluss Ihre individuellen Fragen beantworten darf.  Das Haus der Familie ist neben der Bildungsarbeit auch sehr im Bereich Beratung von Jungen Familien engagiert. In der Beratungspraxis häuften sich in den letzten Jahren die Notsituationen von Familien, die gerade auch im Hinblick auf die Corona-Pandemie mehrfach belastet waren.
Da waren zum einen starke Anforderungen der Arbeitgeber an die Mitarbeiter und zusammen mit den Vorgaben viel Druck, gepaart mit der schlechten wirtschaftlichen Lage und einer hohen Preissteigerung. Viele Vermieter haben aufgrund eigener Platzbedürfnisse (Errichtung von Homeoffice, Home-Sport oder ganz andere Gründen) häufiger eine Kündigung aufgrund von Eigenbedarf angemeldet. Das hat die Lage am Wohnungsmarkt nochmals stark angespannt. Und gleichzeitig gab es viele Trennungsabsichten….

Lichtenberger:
Trennungsabsichten? Was meinen Sie damit? Ehepaare, die nicht mehr zusammen leben konnten?

Spindler:
Ja viele Trennungen bzw. genauer gesagt Trennungsabsichten von Familien sind dadurch entstanden, dass es vermehrt zu Konflikten in den Familien kam und auch Gewalt immer mehr ein Thema wurde. Wenn in der Regel die Frauen nach voriger langer Suche auf dem Wohnungsmarkt nicht zum Ziel kamen, haben Sie Beratung im Haus der Familie aufgesucht und welche Geschichten dazu Tage kamen waren erschreckend…
Hohe Mietpreise, hohe Umzugskosten (die auch wegen der Auflagen durch die Hygiene erschwert wurden) waren das eine, aber es gab auch zahlreiche Menschen, die die Not der Familien ausgenutzt haben und es zu (sexuellen) Übergriffen zu den Frauen kam und die Not mit allen Folgen dadurch noch größer wurde. Sowohl die Erwachsenen wie auch die Kinder sind hier großer Gefahr und Traumata ausgesetzt.
Neben den Betroffenen Familien waren auch weite Teile des sogenannten Hilfesystems, d.h. Beratungsstellen, Frauenhäuser, Jugend- und Sozialamt hilflos. Großer Ärger und Wut stellen sich daraufhin ein.

Lichtenberger:
Und wie kam es von der Feststellung der Notlage zur Idee des Projektes?

Spindler:
Da war plötzlich dieser Förderaufruf des Sozialministeriums: Starke Kinder chancenreich gegen Kinderarmut in Baden-Württemberg, der als Chance gesehen wurde, an der Situation etwas verändern zu können – wenn auch nicht gleich durch eigene Wohnungen – aber in der Gemeinschaft/Zivilgesellschaft. So kam es zum Projektantrag und glücklicherweise zum Projektzuschlag.

Lichtenberger:
Und wie sieht der Lösungsansatz von „Bündnis Wohnraum“ aus?

Spindler:
Wichtig war es uns, in der Öffentlichkeit einerseits genau diese Problemstellungen anzusprechen und Bewusstsein, dafür zu schaffen, in welcher Häufigkeit und in welcher Not diese Familien stecken. Gleichzeitig wollen wir auch die Situation auch schnell verbessern. Wir wollen – wie Sie so schön in der Predigt sagten – anklopfen und hoffen, dass jemand unsere Stimme hört und aufmacht und dass wir dann ins Gespräch kommen. Ausgehend von diesen Gesprächen wollen wir ein Netzwerk knüpfen, uns zusammentun und zu Problemen Lösungen suchen.

Lichtenberger:
Wie kann das konkret aussehen? Es klingt ja bislang noch etwas theoretisch.

Spindler:
Stimmt, das hört sich im Moment danach an, aber wenn Sie aufmerksam zuhören, wenn Sie mit den Menschen reden, kommt doch einiges zu Tage. So bin ich z.B. auf der Schafweide in Darmsheim mit einer älteren Frau ins Gespräch gekommen. Nach dem Tod von Ihrem Mann lebt sie allein in Ihrem Haus. Einsamkeit und etwas Überforderung waren auch zu spüren. Auf die Frage, warum sie nicht vermieten möchte, kamen viele Problemstellungen zu Tage:

Wohnung renovieren, Kredit für das Renovieren, Handwerker suchen, Handwerker koordinieren, Mieter suchen, Mietverwaltung und vieles mehr. Aber auch alte Geschichten, da die vorhandene Wohnung vor langer Zeit mal vermietet war. Da gab es Schäden von den Mietern (eine ausgelaufene Batteriesäure, die den Steinboden beschädigt hat), die beim Auszug nicht thematisiert worden sind um der Harmonie willen. Die Flecken erinnern aber noch immer daran…

Lichtenberger:
Können Sie Menschen, die diese Sorgen haben, die Ängste vor dem Vermieten nehmen?

Spindler:
An einer solchen Geschichte setzt unser Lösungsansatz an:
Wir möchten uns als Vernetzer und Ermöglicher sehen, denn auf all den oben genannten Problemstellungen, möchten wir eine Lösung durch Vernetzung anbieten können.

Da gibt es zum einen Förderprogramme der L-Bank bei denen der Vermieter und der Mieter gleichzeitig profitieren. So können die Renovierungskosten mit einem späteren Mietverzicht schon mit Beginn des ersten Mietverhältnisses abgelöst werden. Durch die Vernetzung von lokalen Dienstleistern aus dem Handwerk und der Mietverwaltung oder auch durch Ehrenamt, wollen wir neben der lokalen Wirtschaft zu stärken auch Verlässlichkeit für die Auftraggeber erreichen.

Gleichzeitig steigt der Wert der Immobilie, es gibt geregelte Einkünfte, die gerade in der aktuellen Energiekrise bedeutend sein können und im Idealfall entstehen, ganz tolle Freundschaften und Hausgemeinschaften, die durch die Win-Win-Situationen entstehen können. Also viel Potential, dass mit großer Dankbarkeit viel entstehen kann.

Aber das ist nur eine der vielen Perspektiven von Leuten mit denen wir sprechen. Handwerker, Wohnungsvermittler, Wohnbaugesellschaften haben wiederum ganz andere Perspektiven…

Lichtenberger:
Klingt spannend und unterstützenswert.
Und passt mit dem Gedanken, Türen zu öffnen und Herbergen zu finden, eigentlich auch sehr gut in die Adventszeit.
Denn auch Josef hat für seine schwangere Frau und sich mühsam nach der passenden Herberge gesucht.
Und vielleicht hätte ihm ein Bündnis Wohnraum schneller weitergeholfen.

Konkrete Fragen zum Projekt können Sie gerne nach dem Gottesdienst direkt mit Herrn Spindler besprechen. Vielen Dank Ihnen noch einmal, dass Sie sich heute Zeit nehmen.